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Amazon | Quelle: Getty Images
Amazon | Quelle: Getty Images

Mann verlor sein Leben auf der Toilette einer Amazon-Einrichtung: Einzelheiten

Edita Mesic
28. Nov. 2025
16:59

Ein Todesfall im Amazon-Logistikzentrum Erfurt hat eine Diskussion ausgelöst, die weit über die Werkstore hinausreicht. In einem Betrieb, der täglich tausende Pakete bewegt, starb am 17. November ein 59-jähriger Mitarbeiter während seiner Frühschicht – gefunden wurde er später leblos auf der Toilette.

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Die Nachricht verbreitete sich schnell, begleitet von widersprüchlichen Darstellungen darüber, wie der Tag des Mannes tatsächlich ablief. Für viele steht seitdem nicht nur ein tragischer Todesfall im Raum, sondern die Frage nach Verantwortung, Arbeitsbelastung und Grenzen menschlicher Leistungsfähigkeit in einem System, das millimetergenau getaktet funktioniert.

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Nach Informationen von RTL sowie MDR Thüringen hatte der Mann während der Schicht erklärt, dass es ihm nicht gut gehe. Er wollte sich krankmelden – so schildert es zumindest die Gewerkschaft ver.di. Doch ihm sei dieses nicht erlaubt worden, heißt es. Statt nach Hause gehen zu dürfen, soll er zurück an den Arbeitsplatz geschickt worden sein.

Wenige Stunden später fanden Kollegen ihn reglos in einer Sanitäreinrichtung. Reanimationsmaßnahmen wurden nicht überliefert, stattdessen die nüchterne Feststellung des Todes durch einen Herzinfarkt. Ein medizinischer Notfall, der sich hinter einer verschlossenen Tür abspielte, während der Betrieb weiterlief.

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Amazon beschreibt den Ablauf anders. Der Konzern teilte mit, man habe gemeinsam mit dem Mitarbeiter vereinbart, dass er zunächst Pause mache und anschließend selbst entscheiden könne, ob er gehe. Dass ihm krankmelden verweigert wurde, weist das Unternehmen zurück.

Nach Konzernsicht habe kein Arbeitsunfall vorgelegen, sondern ein tragisches, individuell medizinisches Ereignis. Angehörigen sei Unterstützung angeboten worden, psychologisches Personal stand Beschäftigten zur Verfügung. Eine interne Kommunikation habe stattgefunden, teilte Amazon weiter mit.

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Doch die Gewerkschaft bleibt bei ihren Vorwürfen. Ver.di berichtet von Beschäftigten, die unter hohen Leistungsanforderungen arbeiten, von Urlaubssperren, fehlendem Lohn bei Krankmeldungen und Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, wenn sie zu langsam arbeiten oder sich abmelden müssen. Aussagen, die im Raum stehen bleiben, bis die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen abgeschlossen sind.

Die Staatsanwaltschaft Erfurt bestätigte inzwischen ein laufendes Todesermittlungsverfahren. Der genaue Hergang, die Kommunikation zwischen Vorgesetzten und dem 59-Jährigen sowie der Zeitpunkt seines Zusammenbruchs werden rekonstruiert. Unklar bleibt vorerst, ob der Mann hätte gerettet werden können, wenn der Arbeitsablauf anders verlaufen wäre.

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Viele Beobachter stellen sich genau diese Frage. Denn der Vorfall ereignete sich mitten im Vorweihnachtsgeschäft, einer Phase, in der Online-Händler traditionell Rekordmengen bewegen. In der Black-Week 2022 wurden über Amazon weltweit Waren im Wert von rund einer Milliarde US-Dollar verkauft – Zahlen, die verdeutlichen, unter welchem Tempo Logistikzentren in dieser Saison arbeiten. Schichten sind verdichtet, Taktung ist eng, Personal belastet. Gerade deshalb wirkt die Nachricht eines Todes während der Arbeit auf viele wie ein Alarmzeichen.

Online zeigt sich, wie Menschen auf das Geschehen reagieren – erschüttert, wütend, voller Fragen. In den öffentlichen Reaktionen wirkt der Vorfall nicht wie ein isoliertes Ereignis, sondern wie Auslöser eines kollektiven Unbehagens. "Schlimm" – ein Satz, kaum länger als ein Atemzug, aber schwer wie ein Stein.

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Er steht sinnbildlich für den ersten Reflex vieler Menschen: Entsetzen, Sprachlosigkeit. Ein anderer formuliert nüchterner und zugleich dringlicher: "Hoffentlich findet man heraus, was passiert ist." Die Formulierung trägt die Erwartung einer Aufklärung, die weder voreilig urteilt noch im Ungefähren endet. Und dann gibt es Stimmen, die härter klingen, wütender, bitterer: "Das war klar, dass da ein Mensch stirbt, das ist nur Sklavenarbeit, nur eine Pause." Hier spiegelt sich Frust, ein moralischer Vorwurf – und die Befürchtung, dass sich solche Fälle wiederholen könnten, wenn sich nichts ändert.

Während Ermittler Fakten prüfen, ordnen und bewerten, bleibt die Realität unverändert: Ein Mann ging zur Arbeit und kam nie zurück. Kollegen fanden ihn, Angehörige verloren ihn, ein Betrieb muss sich der Frage stellen, ob alles getan wurde, was hätte getan werden können.

Eröffnung des Amazon-Vertriebszentrums in Erfurt | Quelle: Getty Images

Eröffnung des Amazon-Vertriebszentrums in Erfurt | Quelle: Getty Images

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Zwischen Gewerkschaft und Konzern stehen widersprüchliche Darstellungen, aber auch ein gemeinsamer Nenner – es war ein Todesfall, der niemanden unberührt lässt. Und dennoch läuft der Betrieb weiter, Pakete rollen, Warenscanner piepen, Schichten schließen und beginnen. Ein Leben ist weg, der Fluss der Produktion bleibt bestehen.

Am Ende dieses Tages steht ein Ereignis, das nüchtern statistisch als „medizinischer Notfall während der Arbeit“ erfasst werden kann – oder als Warnsignal, das Arbeitsbedingungen sichtbar macht, die sonst verborgen bleiben. Ob das Todesermittlungsverfahren bestätigen wird, dass Regeln eingehalten wurden oder dass ein hilfreicher Schritt versäumt wurde, wird erst die Zeit zeigen.

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