
„Ein Mann kommt uns nicht mehr ins Haus“: Der traurige Grund, warum die Kessler-Zwillinge nie geheiratet haben
Wenn man heute an Alice und Ellen Kessler denkt, tauchen vor dem inneren Auge sofort zwei elegante, hochgewachsene Frauen auf – perfekt synchron, strahlend und energiegeladen. Jahrzehntelang gehörten sie zu den bekanntesten Showgrößen Europas. Auf internationalen Bühnen standen sie neben Stars wie Frank Sinatra oder Fred Astaire, in Italien wurden sie in den 1960er-Jahren zu Ikonen der „dolce vita“-Zeit, in Deutschland galten sie als Botschafterinnen eines neuen, weltoffenen Lebensgefühls.
Doch hinter dem glamourösen Auftreten der Zwillinge verbarg sich ein Lebensweg, der nicht nur von Ruhm und Reisen geprägt war, sondern auch von tief verankerter Vorsicht, emotionalen Narben – und einer klaren Entscheidung: Die beiden wollten nie heiraten.

Die Kessler-Zwillinge, 1976 | Quelle: Getty Images
Warum zwei Frauen, die für viele Männer Traumgestalten waren, die Ehe konsequent mieden, hat eine bedrückende Vorgeschichte. Sie beginnt in ihrer Kindheit – und endet erst mit ihrem gemeinsamen Tod im Alter von 89 Jahren.
„Er hat mir die Wahrheit bis zum Schluss verborgen.“
Gemeinsam durchs Leben – aber nicht in der Liebe
Diese Zwillinge prägten die Fernsehlandschaft und das Showbusiness - nicht nur in Deutschland, Italien und Amerika, sondern auf der ganzen Welt - über Generationen hinweg und waren bis zuletzt aktiv in der Öffentlichkeit unterwegs. Ihr Tod hat daher sehr viele Menschen getroffen. Generationen, die mit den Kessler-Zwillingen groß geworden sind, trauern.

Die Kessler-Zwillinge, 1959 | Quelle: Getty Images
Alice und Ellen waren unzertrennlich. Auf der Bühne bewegten sie sich wie Spiegelbilder, privat lebten sie jahrzehntelang Haus an Haus – später sogar in benachbarten Wohnungen in einem Bungalow, getrennt durch eine Schiebetür. Ihre tiefe Verbundenheit, sagen Freunde, sei das Fundament ihres gesamten Lebens gewesen.
Doch so eng sie einander standen, in einem Bereich gingen sie bewusst getrennte Wege: in der Liebe. Romantische Erlebnisse gab es durchaus, teils leidenschaftlich, teils schmerzhaft. Aber keine Beziehung führte zu dem Wunsch, einen Mann dauerhaft ins gemeinsame Leben zu integrieren.
Ellen sprach später offen darüber, dass die Zwillinge sich nie abhängig machen wollten. Schon als junge Frauen hatten sie klare Vorstellungen: Sie liebten Freiheit, Professionalität, Selbstbestimmung. Eine Ehe erschien ihnen als eine Art Begrenzung – und als mögliches Risiko.

Franco Zeffirelli und die Kessler-Zwillinge bei der Premiere von „The Taming of the Shrew“ am 27. Februar 1967 in New York | Quelle: Getty Images
Ellen zwischen Leidenschaft und Loyalität – und einem Treuebruch
Ellen verliebte sich Anfang der 1960er-Jahre in den italienischen Schauspieler Umberto Orsini. Eine Beziehung, die fast zwei Jahrzehnte hielt.
Anfangs habe er sogar einen Heiratsantrag gemacht. Seinerzeit war die Verliebtheit frisch, und Ellen antwortete „Sì“. Doch der Antrag blieb folgenlos, und sie empfand das rückblickend als Glück. Die Beziehung blieb genau so, wie es für beide passte – unverbindlich genug, um berufliche Freiheiten nicht einzuschränken, und gleichzeitig nah genug, um echte Gefühle entstehen zu lassen.
Doch auch diese Partnerschaft fand eine bittere Wendung. Orsini verliebte sich in eine deutlich jüngere Frau – 26 Jahre jünger als Ellen. Der Vertrauensbruch verletzte sie zutiefst. Die italienische Presse zitierte sie später mit den Worten: „Er hat mir die Wahrheit bis zum Schluss verborgen.“

Die Kessler-Zwillinge, 1970 | Quelle: Getty Images
Diese Erfahrung hinterließ Spuren. Und sie verstärkte ein Gefühl, das Ellen seit der Kindheit kannte: Beziehungen können wanken, Menschen können entgleiten – doch die Verbindung zu Alice war unerschütterlich.
Alices große Gefühle – und die Enttäuschungen, die folgten
Auch Alice liebte – und litt. Unter anderem verband sie eine Beziehung mit dem französischen Chansonnier Marcel Amont. Sie war zudem mehrere Jahre mit einem italienischen Regisseur liiert. Doch keiner der Männer blieb. Auch sie wurde betrogen.
Trotz der Enttäuschungen verlor Alice nie ganz den Glauben an die Liebe. Noch 2020 sagte sie: „Ich hätte nichts dagegen, mich mal wieder zu verlieben.“
Ein Satz, der beinahe jugendlich wirkt – und zeigt, dass die Kessler-Frauen Liebeskummer kannten, aber niemals Bitterkeit. Sie hielten sich das Herz offen, doch sie hielten immer Abstand zu etwas, das ihnen Angst machte: Bindung um jeden Preis.

Die Kessler-Zwillinge in Schwarz/Weiß | Quelle: Getty Images
Warum die Ehe keine Option war – eine Entscheidung aus tiefem Schmerz
Weshalb aber war der Gedanke an eine Ehe für beide so unattraktiv? Warum blieb die Vorstellung, einen Mann in das gemeinsame Zuhause zu lassen, für sie so unbequem?
Die Antwort liegt in ihrer Kindheit. Die Zwillinge wuchsen mit einem Vater auf, der jähzornig war – laut eigenen Aussagen fast tyrannisch. Ihre Mutter litt unter seinem Verhalten, beugte sich ihm, versuchte jeden Konflikt zu vermeiden.
„Sie war seine Sklavin“, erzählte Alice später. „Wenn die Pantoffeln nicht da standen, wo er reinschlüpfen wollte, gab es Krach. Als Kind prägt einen das.“

Die Kessler-Zwillinge, 2024 | Quelle: Getty Images
Solch eine Dynamik wollten sie nie in ihrem eigenen Leben zulassen. Weder Abhängigkeit noch Machtgefälle sollten jemals ihren Alltag bestimmen.
Darum entschieden sie sich gegen die Ehe, gegen das traditionelle Familienmodell, gegen Kinder – und für die Freiheit, ihren eigenen Kurs zu bestimmen.
Ellen brachte es einmal auf den Punkt, als sie über ihr gemeinsames Zuhause sagte: „Ein Mann kommt uns nicht mehr ins Haus.“
Ein Satz, halb scherzhaft, halb schützend – aber im Kern eine Konsequenz aus Jahren voller Beobachtungen und Ängste.

Ellen Kessler und Alice Kessler bei der Theaterpremiere von „Mord im Orient-Express“ im Deutschen Theater am 23. April 2025 in München | Quelle: Getty Images
Berühmt, umschwärmt – und dennoch vorsichtig
Ironischerweise mangelte es den Zwillingen nie an Verehrern. Frank Sinatra schwärmte von ihnen, Elvis Presley soll Ellen „schüchtern und gehemmt“ vorgekommen sein. Internationale Stars standen Schlange, um sie kennenzulernen.
Doch keine dieser Begegnungen führten zu mehr. Die Kesslers blieben höflich distanziert, souverän und stets auf Augenhöhe.
Ihre Freiheit war ihnen heilig.

Alice und Ellen Kessler | Quelle: Getty Images
Zusammen bis zum letzten Schritt
Ihre Verbundenheit zeigte sich schließlich auch in ihrem letzten Entschluss. Die Zwillinge hatten schon früh darüber gesprochen, dass sie niemals ohne die andere sein wollten. Für sie stand fest: Wenn eine sterben müsse, wolle die andere nicht weiterleben.
Diesen Plan setzten sie um – eine Entscheidung, die in Deutschland legal ist, wenn sie in Begleitung einer entsprechenden Organisation erfolgt und bestimmte Voraussetzungen erfüllt.
In Italien löste ihr Tod eine Diskussion über assistierten Suizid aus, in Deutschland wurde vor allem ihre Lebensleistung geehrt. Viele sprachen davon, dass sie Deutschland nach dem Krieg ein neues, freundliches Gesicht gegeben hätten gegenüber dem Rest der Welt.

Alice Kessler und ihre Zwillingsschwester Ellen Kessler bei der Verleihung des Bayerischen Verdienstordens im Antiquarium der Residenz am 9. Juli 2025 in München | Quelle: Getty Images
Ein Leben voller Glamour – und voller Grenzen
Die Geschichte von Alice und Ellen Kessler ist keine Liebesromanze und kein klassisches Show-Business-Märchen. Es ist die Geschichte zweier Frauen, die sich bewusst gegen ein Lebensmodell entschieden, das auch heute noch mit einer gewissen Erwartungshaltung an Frauen verbunden ist. Die lieber aufeinander bauten als auf Beziehungen, die sie verletzen könnten.

Alice Kessler und Ellen Kessler bei der Premiere von „ARTistART“ des Circus Roncalli im Werksviertel München am 24. Oktober 2025 in München | Quelle: Getty Images
Zwei Frauen, die alles miteinander teilten – ihren Erfolg, ihre Wohnungen, ihre Träume – nur nicht die Männer.
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