Obdachloser, süchtiger Mann, wurde Geschichtsprofessor und schrieb ein Buch
Jesse Thistle lebte einst auf der Straße und war drogenabhängig. Nun ist er Autor und Uni-Professor.
Jesse Thistle war ganz unten angekommen. Er war obdachlos, kriminell und drogenabhängig. Doch mit viel Selbstdisziplin kämpfte er sich zurück ins Leben und überwand die Trümmer seiner Vergangenheit.
Mittlerweile ist er nicht nur Autor, sondern auch Geisteswissenschaftler, Assistenzprofessor und, Berichten zufolge, auch bald Doktor, da er aktuell an seiner Promotion arbeitet. Er ist Experte für indigene Wurzeln der Ureinwohner Kanadas, und besitzt diese selbst.
SEIN VATER WANDELTE AUF ÄHNLICHEN PFADEN
Sein Vater Sonny sah sich ebenfalls mit einigen Schwierigkeiten in seinem Leben konfrontiert. Er soll ein Trinker, Schläger und Herumtreiber sein, berichtet RTL. Er soll die Mutter Jesses auf der Flucht vor der Polizei kennengelernt haben. Sie bekamen drei Söhne. Jesse ist der Jüngste von ihnen, seine Brüder Josh und Jerry kamen vor ihm zur Welt.
Jesse Thistle im Interview | Quelle: YouTube/CBC NL - Newfoundland and Labrador
Die gewalttätige Ader seines Vaters führte schließlich dazu, dass Mutter Blanche davonlief, und sie nahm ihre Söhne mit sich. Später tauchte ihr Vater wieder auf, und es gelang ihm, sie zu überzeugen, ihm die Kinder zu überlassen.
Zu dem Zeitpunkt waren die Söhne noch keine sechs Jahre alt, doch Sonny war entgegen seiner Versprechen nicht trocken. Er war kein guter Einfluss auf sie, brachte ihnen bei, Zigaretten zu drehen und zu stehlen, ließ sie sogar mehrfach tagelang allein.
Das Jugendamt wurde schließlich von einem besorgten Nachbarn eingeschaltet. Die Jungs kamen ins Waisenhaus. Sie verbrachten eine Weile im Pflegeheim, ehe ihre Großeltern väterlicherseits das Sorgerecht für die drei Brüder erhielten.
Bild aus Jesse Thistles Kindheit im Interview | Quelle: YouTube/CBC NL - Newfoundland and Labrador
DER STURZ IN DIE ABWÄRTSSPIRALE
Während er aufwuchs, fühlte er sich von seiner Mutter verlassen, seinen Vater sollte er nie wiedersehen. Sein Frust und sein Schmerz sorgten dafür, dass er abstürzte. Jesse begann, sich herumzutreiben und der Schule den Rücken zu kehren.
Er fing an, lieber zu feiern, anstatt etwas für seine Bildung zu tun und geriet an die falschen Leute. Sein verhalten uferte so stark aus, dass seine Großeltern ihn rauswarfen. Er zog zu seinem großen Bruder Josh, der mittlerweile Polizist geworden war.
Doch nachdem dieser ihn beim Einnehmen von Drogen erwischte, wurde er auch von Josh auf die Straße gesetzt. Zu dem Zeitpunkt war Jesse 20 Jahre und erneut obdachlos.
1999 bekommt er erneut Probleme mit der Polizei, nachdem Bekannte ihm Beweise unterjubeln, um ihm einen Mord anzuhängen. Sein Bruder Jerry nahm ihn eine Zeit lang bei sich auf, doch nachdem er aufgrund eines schweren Sturzes anfing, Crack zu nehmen, um seine Schmerzen zu managen, schien er seinen Tiefpunkt erreicht zu haben.
Er beging ein Verbrechen, um ins Gefängnis zu kommen, da er keinen Ausweg mehr sah. Damals schien ihm diese Entscheidung vollkommen logisch. Er verriet:
"Ich bin dort sicher, habe einen Platz zum Ausruhen, Zugang zu Nahrungsmitteln und Medikamenten."
Deshalb überfiel er einen Supermarkt, kniff dann aber doch und wollte sich nicht festnehmen lassen. Er entkam mit den gestohlenen 40 Dollar und stellte sich einige Tage später erst der Polizei.
Der darauf folgende Aufenthalt im Gefängnis stellte einen Wendepunkt in seinem Leben dar. Er erhielt einen Entzug, wurde medizinisch behandelt, wodurch sich sein Allgemeinzustand verbesserte.
Bild aus Jesse Thistles Interview, Gefängnisfotos | Quelle: YouTube/CBC NL - Newfoundland and Labrador
Mit den Nachwirkungen des kalten Entzugs ging er auf ungewöhnliche Art und Weise um; er brachte sich selbst das Lesen und Schreiben bei, um nicht über sein Verlangen nach Crack nachdenken zu müssen.
DAS LEBEN NACH DEM GEFÄNGNIS
Nachdem er aus dem Gefängnis entlassen wurde, schien er neue Motivation gefasst zu haben, etwas in seinem Leben zu ändern. Er belegte verschiedene Kurse, heißt es, und eignete sich alltägliche Dinge wie Manieren und Benehmen an. Diese Fertigkeiten brauchte er auf der Straße zuvor nicht. Über diese Zeit sagte er:
"Zum ersten Mal seit vielen, vielen Jahren fühlte ich mich im Reinen mit mir"
Doch er erlitt einen Rückschlag, wurde wieder drogenabhängig und musste auf der Straße betteln. Für ein Jahr lang musste er in ein Rehabilitationszentrum, urteilte ein Gericht.
Später kontaktierte seine Mutter ihn, doch Jesse wusste damit nicht umzugehen und tat sich schwer, sich ihr zu öffnen und den Kontakt zu festigen. Auch seine Angst, wieder verstoßen oder verletzt zu werden, spielte dabei eine große Rolle.
Jesse Thistle im Interview | Quelle: YouTube/CBC NL - Newfoundland and Labrador
Dennoch tat es gut. Auch seine Großmutter kontaktierte ihn wieder, nachdem sie ihn zwei Jahrzehnte zuvor auf die Straße gesetzt hatte. Sie lag im Sterben und nahm ihrem Enkel das Versprechen ab, zur Universität zu gehen und alles zu tun, um es im Leben zu etwas zu bringen.
Jesse besuchte sie ein letztes Mal und gab ihr das Versprechen. Zwei Wochen später war seine Großmutter tot. Nach ihrem Tod trat eine alte Schulfreundin von Jesses Bruder in sein Leben. Sie kamen zusammen und heirateten. Lucie stand ihm zur Seite und half ihm bei der Jobsuche. Sie war es auch, die ihn ermutigte, es wirklich mit der Universität zu versuchen.
2012 beging Jesse sein Studium. Diese Zeit fiel ihm nicht leicht, denn er fühlte sich wie ein Außenseiter, immerhin war er um einiges älter, als die anderen Studenten. Im dritten und vierten Semester an der Universität kontaktierte er seine Tante und erfuhr über sie mehr über seine Familiengeschichte.
Cover von Jesse Thistles Buch "From the Ashes" | Quelle: YouTube/CBC NL - Newfoundland and Labrador
Dadurch wurde sein Interesse an seinen Ahnen geweckt. Er wurde stolz, als er erfuhr, dass unter seinen Ahnen Widerstandskämpfer und politische Führer waren. Dies spornte ihn an, noch mehr Wissen anzustreben.
Sein Fleiß zahlte sich aus, denn ein Professor bot ihm eine Stelle als Assistenzprofessor an, nachdem er seine Arbeit gelesen hatte. Er war der beste Student seiner Fakultät, als er sein Studium abschloss und Karriere als Wissenschaftler machte.
Mittlerweile arbeitet Jesse an seiner Promotion, wird Doktor werden. Er unterrichtet indigene Geschichte an der York University und sogar zu seiner Mutter hat er noch regelmäßig Kontakt. Sie arbeitet sogar als wissenschaftliche Mitarbeiterin für ihn.
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