Die Flut schwemmt Rentnerin, 67, in ihrem eigenen Haus fort, während sie telefoniert
Die genaue Anzahl der Vermissten in den überfluteten Gebieten ist unbekannt. Ausgefallener Mobilfunk macht es schwer, zwischen hilfebedürftigen Vermissten und schlicht nicht erreichbaren Angehörigen zu unterscheiden. Aber selbst dort, wo das Telefonieren funktioniert, kommt es zu schrecklichen Momenten der Unsicherheit, wie ein Polizist am eigenen Leib erfahren muss.
Die Bilder und Videos erschüttern immer wieder aufs Neue. Viele Ortschaften in den von den Überflutungen betroffenen Gebieten sind größtenteils zerstört und selbst Gebäude, die dem Wasser standhielten, sind mit Schlamm gefüllt und Inventar unbrauchbar geworden.
Sperrmüllberge türmen sich neben großen Haufen aus Schlamm, der von Anwohner*innen aus den eigenen und den Nachbarhäusern geschaufelt wurde. Hilfskräfte sind im Dauereinsatz, können aber längst noch nicht alle Gemeinden erreichen.
Die Bundeswehr und das Technische Hilfswerk (THW) unterstützen die lokalen Helfer*innen der Feuerwehr und der Polizei. Während dem Besuch der Kanzlerin und der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin in Schuld sprach der Bürgermeister des Ortes von "Narben", die die Fluten hinterließen.
Dies bedeutet aber keineswegs, dass die Wunden bereits geschlossen sind, im Gegenteil. Sie werden erst nach und nach sichtbar. Neben den Zerstörungen, die es zu beheben gilt, ist auch die Versorgung mit Strom und Wasser eine essenzielle Frage in der Krise.
Denn wie der SWR3 berichtet, sind oberirdische Wasserspeicher zumeist zerstört worden oder mittlerweile aufgebraucht. Das Wasser in den Flüssen sein mit Abwasser, Heizöl und Unrat so stark verschmutzt, dass vor der Nutzung ausdrücklich gewarnt würde.
Der Sender spricht mittlerweile von 164 bestätigten Toten, was deutlich die letzte Angabe der "Tagesschau" übersteigt. Leider muss damit gerechnet werden, dass auch viele der derzeit noch Vermissten diese Zahl im Laufe der Zeit in die Höhe treiben werden.
Die Polizei Rheinland-Pfalz hat Polizei hat zwei Anlaufstellen eingerichtet: Die Telefonnummer 0800-6565651 ist für Menschen, die Angehörige vermissen. Auf diesem Internetportal können außerdem Fotos und Videos hochgeladen werden, die bei der Suche nach Vermissten helfen könnten.
Eine dieser Vermissten ist die Rentnerin Inge Gieler aus Rech. Der Heimatort der 67-Jährigen liegt an der Ahr, die stark über die Ufer getreten war. Am Mittwochabend schoss eine Flutwelle vom Fluss durch den Ort, während die Frau mit ihrem Schwager telefonierte.
Die "BILD" berichtete, sie habe ihm noch gesagt "es bewegt sich, es bewegt sich“, ehe die Verbindung abbrach. Gielers Haus wurde vollständig davongerissen. Zurück blieb ein Krater.
Ihr Sohn, Dominik Gieler, fände kaum Zeit, sich um das Verschwinden seiner Mutter zu kümmern. Der 35-Jährige ist Bürgermeister und Polizist und hat damit alle Hände voll zu tun. Er gehe vom Schlimmsten aus, müsse sich aber beruflich auch den anderen Ortsanwohner*innen widmen und die Rettungskräfte koordinieren.
Der Ort Rech sei Größtenteils abgeschnitten, so Gieler. "Bisher haben wir kaum Kontakt mit offiziellen Stellen außerhalb des Ortes. Die Bewohner organisieren alles selbst. Hier geht nichts mehr. Kein Strom, kein Wasser, kein Telefon," erklärte er.
Ziel sei es, eine behelfsmäßige Brücke zu dem Ortsteil einzurichten, in dem die Kräfte der Bundeswehr bereits der Bevölkerung halfen. Gielers Mutter ist vermisst, ein Leichnam wurde bisher noch nicht gefunden.
Zum Trauern bleibt dem Sohn in all dem Chaos und all der Arbeit noch keine Zeit. So geht es sicherlich vielen, die in der Katastrophe Verluste beklagen zu haben. Es wird womöglich noch eine zweite Welle geben – die der Trauer, wenn das Gröbste an physischen Schäden behoben wurde.