Mutter und drei Kinder starben in Bayern: Die Familie der Opfer erzählt über das traurige Ereignis
Vor einem Jahr kamen eine Mutter und ihre drei Kinder bei einem Autounfall in Bayern ums Leben. Jetzt spricht die Familie der Opfer zum ersten Mal über die Umstände dieses schwierigen Ereignisses.
Zwei Tage nach dem Unfall waren keine Tränen in den Augen. Um Krystyna Budnick ist die Welt schwarz gestrichen. Das Gefühl des Todes lag in der Luft, damals, Anfang Januar 2020. Bis heute hat sich nichts geändert, außer dass die Tränen wieder fließen.
Für Focus erinnerte sich Krystyna Budnick an das schmerzhafte Ereignis, das ihre Schwester und die 35-jährige Mutter Agnieszka Wisniewska und ihre drei Kinder, die vierjährige Alexandra, die zweijährige Julia und den zwölfjährigen Bartlomiej, aus diesem Leben riss.
Während Krystyna Budnick mit zitternden Händen die Sterbeurkunden ihrer Schwester und ihrer Kinder aus dem Umschlag zieht, erinnert sie sich an ihre Schwester:
"Ich habe meine Schwester Agnieszka und ihre Kinder so geliebt, wir waren uns immer ganz nah, eigentlich unzertrennlich."
Rückansicht der Polizei auf Straße I Quelle: Getty Images
Agnieszka und ihre Familie lebten nur 11 Kilometer von ihrer Schwester, in einem Nachbardorf im Bayern. Plötzlich verlor Krystyna einen Großteil der Familie. Zuerst in Krankenhäusern, dann in Särgen und schließlich auf einem Friedhof in Polen, woher die Familie auch stammt.
"Es vergeht kein Tag, an dem wir nicht über sie sprechen", sagt Krystyna. Für Focus erzählt sie, wie schwierig es für sie ist, mit dem Verlust umzugehen. Ihre Kinder, Sohn Natan und Tochter Nadia, sind ihre Unterstützung und das Motiv weiter durch das Leben zu gehen.
Für Focus enthüllt sie, hätte sie ihre Kinder nicht gehabt, wäre sie wahrscheinlich gestorben - vor Kummer, vor Verzweiflung und die Wut auf die Justiz. Denn das Amtsgericht Schwabach ließ die Opfer als Verlierer zurück.
Sperrband der deutschen Polizei mit Regentropfen an einem Bahnhof in Berlin I Quelle: Getty Images
"Der junge Mann, der für den Tod meiner Schwester und ihrer drei Kinder verantwortlich ist, läuft frei herum und kann sein Leben genießen", sagt Krystyna Budnick. Ihrer Meinung nach wurde der Täter so milde bestraft, dass man es nicht als Bestrafung bezeichnen kann, obwohl er ihre Familie ausgelöscht hat. Über die Straffe sagt Krystyna:
"Er musste nur 4000 Euro Geldstrafe bezahlen. Das sind 1000 Euro für meine getötete Schwester und 1000 Euro für jedes getötete Kind."
Krystyna klagt, weil sie gelesen hat, dass Menschen in Deutschland wegen Nichteinhaltung der Corona-Maßnahmen mit einer Geldstrafe von 5.000 Euro bestraft werden, aber vier verlorene Leben sind nur 4.000 Euro wert.
Brandermittler der Kriminalpolizei am Tatort I Quelle: Getty Images
Es gab einen Autounfall. Nach Angaben der Polizei kollidierten die beiden Autos am 5. Januar 2020 um 17.25 Uhr in der Bundesstraße 2, Abschnitt 2590, 91166 Georgensgmünd.
Agnieszka saß mit ihrem Mann und drei Kindern im Auto. Sie kehrten aus Polen zurück, wo sie traditionell mit ihrer Familie Weihnachten und Silvester gefeiert hatten. Am Steuer eines anderen Fahrzeugs, eines VW-Kleintransporters, saß der damals 19-jährige Christian M. Seine Freundin saß mit ihm im Fahrzeug.
Laut einem Polizeibericht kam Christian M. mit seinem Fahrzeug von seiner Fahrspur ab, landete auf der Gegenfahrbahn und kollidierte direkt mit einem Renault, der aus der Gegenrichtung kam.
Lichtleiste am Polizeiauto I Quelle: Getty Images
Krystyna erinnert sich, dass sie bereits in Deutschland angekommen war und dass ihre Schwester etwas später aufgebrochen war, und sie nahm an, dass sie noch unterwegs war. Die Zeit verging jedoch und niemand beantwortete Krystynas Anrufe.
Einige Stunden später standen zwei Polizisten vor Krystynas Tür. Sie informierten Krystyna und ihre Schwester Iwona über den Unfall. Agnieszka überlebte nicht. Ihr Mann und ihre Kinder wurden in nahegelegene Krankenhäuser gebracht.
Die neunjährige Julia starb am 5. Januar in einem Krankenhaus in Regensburg. Der zwölfjährige Bartlomiej starb am 6. Januar im Krankenhaus in Erlangen. Die vierjährige Alexandra starb am 7. Januar in dem Krankenhaus in Regensburg. Nur der Hase der Familie, der sich auch in dem Fahrzeug befand, überlebte den Unfall durch ein Wunder.
Krankenwagen auf Autobahn I Quelle: Getty Images
Der genaue Grund für den Unfall ist nicht bekannt. Christian M. ist laut Gericht ein ganz normaler, stabiler und vernünftiger junger Mann. Das einzige, was festgestellt werden konnte, war, dass Christian keinen Alkohol im Blut hatte, keine Drogen konsumierte und das Telefon während der Fahrt nicht benutzte.
Das Fahrzeug war technisch korrekt und die Geschwindigkeit war nicht wesentlich höher als erlaubt. Der Fahrer bestätigte, dass er sich nicht an den Unfall erinnerte und seine 17-jährige Freundin konnte keine Aussagen über den Unfall geben. Laut dem Rechtsanwalt, Oliver Negele, gibt es kein Rechtsmittel gegen das Urteil. Er erklärt:
"Im Jugendstrafrecht können Nebenkläger nur eine Verurteilung des Täters erwirken, nicht aber gegen das Strafmaß vorgehen. Es gibt also kein Rechtsmittel gegen das Urteil."
Anwältin in einem Gerichtssaal I Source: Getty Images
Ein Licht scheint jedoch immer noch. Als Krystyna bei Alexandras Intensivbett war, erklärten die Ärzte ihr, dass es für die kleine Alexandra keine Hoffnung mehr gab. Sie baten um Zustimmung zur Organspende. Krystyna und der Vater des Mädchens stimmten zu, und ein Pfarrer gab einen Segen.
Alexandras Herz schlägt jetzt im Körper eines Jungen. Krystyna, die ein bisschen stolz ist, sagt, dass die vierjährige Aleksandra noch nie Fahrrad gefahren ist, aber bereits ein Leben gerettet hat. In einem Brief bedankte sich die Deutsche Stiftung Organtransplantation für "diese großzügige Geste und dieses einzigartige Geschenk".